Jährlicher Schülerwettbewerb der Stiftung Ettersberg im Seminarfach
Diktaturen erforschen - demokratische Umbrüche in Deutschland und Europa
Alljährlich vergibt in Thüringen die Stiftung Ettersberg für Seminarfacharbeiten, die zu ihrem Themenfeld Diktaturen und Diktaturerfahrung im 20. Jahrhundert geschrieben wurden, einen Preis, der durchaus auch zum Nachahmen anregen sollte. Weitere Informationen zum aktuellen Wettbewerb und den Bedingungen auf der Seite der Stiftung.
Der erste Preis des Schülerwettbewerbes ging 2013 an die Schülerinnen vom KLG.
Die Preisträgerinnen Luise Wolf, Isabelle von Thuemmler, Carolin Dziallas und Franziska Malsch |
Mit dem Thema
"Untersuchungen zur Ernährungssituation im Raum Thüringen während des Zweiten Weltkrieges. Differenzierte Analyse von Bevölkerung in Stadt und Land, Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern und Häftlingen des KZ Buchenwald"
legten sie eine hervorragende Arbeit vor und wurden dafür mit dem ersten Preis im Wettbewerb ausgezeichnet.
Wer hätte das gedacht.…?
Es war zu Beginn recht mühsam, alle vier Mädchen "unter ein Thema zu kriegen". Nicht, dass es an Ideen gemangelt hatte, es waren anfangs einfach nur zu viele. Das Engagement für die Sache und die Bereitschaft für eine funktionierende Zusammenarbeit waren vorhanden. Lange genug kannte man sich ja. Diese Vierergruppe war eigentlich von Anbeginn eine Garantie für motiviertes Arbeiten. Und so saß man das eine ums andere Mal zusammen und beriet, versuchte die Mitstreiter vom eigenen Themenvorschlag zu überzeugen und benötigte am Ende doch ein Abstimmen für eine einfache Mehrheit. Ein historischer Sachverhalt aus der Zeit des Nationalsozialismus sollte für ein Jahr nun akribisch analysiert und gewertet werden. Alle Mitglieder haben sich dieser Aufgabe gestellt und mit großem Zeitaufwand und Blick fürs Detail ein Stück Regionalgeschichte untersucht.
Das Ergebnis konnte sich mehr als sehen lassen, war es doch ein gelungener erster Versuch wissenschaftlichen Forschens. Da kam der Wettbewerb der Ettersbergstiftung gerade zur richtigen Zeit. Selbstbewusst reichten sie ihre Arbeit ein. Die Einladung zur Preisverleihung allein machte schon stolz und ließ erwartungsvoll die Fahrt nach Weimar antreten. Die Spannung wurde von Kategorie zu Kategorie immer größer, man kam sich vor wie bei der Oscarverleihung. Um so strahlender die Gesichter, als Isabelle, Luise, Carolin und Franziska als 1. Preisträger verkündet wurden.
Wer hatte das am Anfang der Arbeit gedacht .... ?
PS: Die Laudatio der Jury ist super !!!
B. Wohlgefahrt (Seminarfachlehrerin) |
LAUDATIO
Die vier Schülerinnen des Königin-Luise-Gymnasiums Erfurt, Carolin Dziallas, Franziska Maisch, Isabelle von Thuemmler und Luise Wolf, untersuchen in ihrer spannenden und lesenswerten Seminarfacharbeit die Ernährungssituation verschiedener Bevölkerungsgruppen im Thüringer Raum zur Zeit des Zweiten Weltkrieges - von der Stadtbevölkerung bis zu den Häftlingen des Konzentrationslagers Buchenwald. Sie stellen ihrer detaillierten Betrachtung der individuellen Betroffenheit ein systematisches Kapitel voran, das die administrativen Grundlagen der Ernährungswirtschaft als Teil der Kriegswirtschaft der Nationalsozialisten beleuchtet. Ein Abschnitt zu Biosyn, einem synthetischen Nahrungsmittel, das skrupellos an Kriegsgefangenen und KZ-Insassen getestet wurde, schlägt den Bogen zur Ernährungslage der deutschen Bevölkerung in Stadt und Land, ehe sich die Schülerinnen der erheblich schlechteren Versorgung Kriegsgefangener und Inhaftierter im KZ Buchenwald zuwenden.
Ihre vergleichende regional- und alltagsgeschichtliche Untersuchung ist ein gelungenes Beispiel forschenden Lernens auf hohem sprachlichem Niveau. Die Arbeit lebt einerseits von umfangreichen Recherchen in regionalen Archiven, andererseits von einer klugen Gliederung und dem reflektierten Umgang mit den eigenen Ergebnissen. So werden selbst aufgestellte Hypothesen kritisch überprüft und den Erkenntnissen der Schülerinnen angepasst. Die Autorinnen recherchieren sehr breit, genau und eigenständig, teilweise sogar detektivischkritisch. Ihre Recherchen im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar und im Staatsarchiv Rudolstadt führen ihnen eine Fülle von Zahlen und Fakten vor Augen, die sie einzuordnen wissen. Werden sie in regionalen Archiven nicht fündig, dehnen sie ihre Recherchen aus, beispielsweise auf Unterlagen des KZ Mauthausen. Ihr weiteres Quellenstudium beschränkt sich nicht etwa auf Internetquellen, sie zitieren auch aus gut ausgewählter Fachliteratur. Die vier Autorinnen wählen ihre Dokumente insgesamt reflektiert und zielorientiert aus und verbinden Text und Materialanhang klug miteinander.
Dass es sich um ein Gemeinschaftswerk handelt, ist durchgehend erfahrbar, nicht zuletzt durch die geschickte Einbindung von Querverweisen. Der Aufbau der Arbeit ist stringent und gelungen. Beim Lesen wird deutlich, dass sich die Autorinnen im Arbeitsprozess erste Methoden wissenschaftlichen Arbeitens angeeignet haben, wobei sie stets ihrem Thema verpflichtet bleiben. Weiterhin hervorzuheben sind ein durchgängig guter Stil- sie sind nie pathetisch, sondern stets um klare Beurteilungen bemüht - und die tadellose Orthografie. Insgesamt lieferten die vier eine herausragende Untersuchung ab, die die Jury überzeugte. Für ihr spannendes Thema und den vergleichenden regionalgeschichtlichen Blick, die breite Recherche und gute Dokumentenauswahl, die engagierte Teamarbeit, das systematische, stets um Anschaulichkeit bemühte Vorgehen sowie für ihre hohe Sprachfertigkeit zeichnet die Jury die vier Erfurter Schülerinnen mit dem 1. Preis aus.
Prof. Dr. H.J. Veen Vorstandsvorsitzender der Stiftung Ettersberg und Honorarprofessor der Universität Trier |