Das Königin-Luise-Gymnasium Erfurt -
ein architektonisches Kleinod preußischer Schulbaukunst

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Zwischen 1873 und 1914 entstanden in Erfurt 18 neue Schulen, darunter von 1900 bis 1902 für etwa 500.000 Reichsmark  (offensichtlich aus Reparationsleistungen in Folge des Deutsch-Französischen Krieges  1870/71) die Königin-Luise-Schule, das heutige Königin-Luise-Gymnasium, das seit 1992 in Anlehnung an seine Historie wieder den alten Namen trägt. Derzeit lernen hier 660 Schülerinnen und Schüler. Bis 1945 war die Schule eine reine Mädchenschule, seit 1908 mit gymnasialem Bildungsgang.

Das Gebäude wurde bis 1945 als Höhere Mädchenschule mit Abiturstufe genutzt, war dann bis 1960 je zur Hälfte Erweiterte Oberschule und Polytechnische Oberschule. Von 1960 bis 1991 waren die beiden POS 11 und 15 im Gebäude untergebracht und trugen gemeinsam den Namen des deutschen Kommunisten Dr.Theodor Neubauer. 1991 wurde die Schule wieder Gymnasium und erhielt 1992 den ursprünglichen Namen zurück.

Die Schülerzahl variierte in den Jahren zwischen 450 und 900. Die Idealbelegung des Hauses könnte man bei etwa 550 bis 600 Schülern ansetzen, was einer durchschnittlichen Klassenstärke von 24 Schülern in einem dreizügigen Gymnasium entspräche.

Die Erfurter Höhere Mädchenschule wurde bereits 1811 gegründet und erhielt erst 91 Jahre später, 1902, ein eigenes Gebäude – für viele Zeitgenossen das schönste Schulgebäude der Stadt, unter Leitung des damaligen Stadtbaurates Paul Peters entstanden.

Zur Einweihung am 10. April 1902 besuchten 540 Schülerinnen die Schule – etwa 100 weniger als derzeit. Die Klassenräume haben bei einer Höhe von 3,40m eine Fläche von 46 bis 53 Quadratmetern und können somit auch nach heutigen Ansprüchen noch mit bis zu 24 Schülern belegt werden.

Der neugotische Schulbau galt damals als Kleinod der Preußischen Schulbaukunst. Beeindruckend sind die 3,50m breiten Korridore, deren Gewölberippen auf weiß getünchten Wänden sehr harmonisch wirken. Alle Treppen sind bis ins Dachgeschoss aus Granit gefertigt und mit einem geschmiedeten Geländer und hölzernem Handlauf versehen. Die von der Erfurter Firma Bruno Schramm installierte Zentralheizung mit excellent konstruierten Ventilationskanälen in den Wänden sowie Be- und Entlüftungsschächten über spezielle Schornsteine sind in den 60-er Jahren durch Vernachlässigung verfallen und nicht mehr in Betrieb.

Als Zierde des Hauses gilt noch immer die 205 Quadratmeter große Aula mit ihrem eindrucksvollen Gebälk. Das über neun Quadratmeter große Bildnis der Königin Luise ist nach 1945 verschollen. Die Annahme, dass es von den neuen Machthabrern vernichtet wurde, liegt auf der Hand, ist aber genau so wenig nachweisbar wie die Vermutung, dass „Luisentreue“ das Bild abnahmen und versteckten. Es sind keinerlei verwertbare Hinweise in den vergangenen Jahren gefunden worden.

Das Äußere unserer Schule war 1902 etwas Besonderes. So schrieb am 7. August 1902 im „Allgemeinen Anzeiger“ ein Journalist, die „nordische Backsteingotik der neuen Mädchenschule“ sei etwas Neues für Erfurt, da man hier doch gewohnt wäre, mit Seeberger Sandstein zu bauen.
Der Schreiber vergaß, dass Erfurt über heimische Tonvorkommen und weithin bekannte Ziegelwerke wie die Firma Sahlender am Roten Berg verfügte und schon mehrere Schulen Erfurts aus diesem Baumaterial entstanden waren.

„Paul Peters hatte einen Bau geschaffen, welcher der Märkischen Backsteingotik nachempfunden war. Er komponierte einen streng symmetrisch angelegten Frontbau, betonte die Mitte durch einen Risaliten mit dreigestuftem Giebel und gliederte die gesamte Front durch acht halbe Bündelpfeiler, deren Sandsteinkonsolen von Steinmetzen mit üppigen Rosenblüten, Ranken und Blätterwerk verziert wurden. In Anlehnung an Chorfenster sakraler Bauten des Mittelalters hob er die Aula im dritten Geschoss mit rundbogigen Maßwerkfenstern hervor.
Auch im Hauptportal nutzte Peters gotische Vorgaben, wenn er für dessen oberen Abschluss die Form eines Eselrückens wählte und nach dem Vorbild gotischer Fialen und Kreuzblumen dreigestufte Rosenbouquets in den Sandstein graben ließ. Auch die seitlichen Fronten zur Straße und die fensterreichen nicht minder repräsentativen Hoffassaden gliederte Peters durch Bündelpfeiler mit dekorativen Konsolen, mit Wappen und dunkelbraun glasierten Ziegelstreifen. Als drittes Baumaterial setzte er behauene Kalksteinquader für den Sockel am Souterrain ein.
In Goldbuchstaben wurde der am 20. August 1902 verliehene Name “Königin-Luise-Schule“ über den Haupteingang gesetzt“ (Dr. Ruth Menzel „Erfurt baut eine Höhere Schule für Mädchen“ in der Festschrift des KLG anlässlich des 100. Geburtstages der Schule).
Diesen Schriftzug entfernte man 1945 und ersetzte ihn durch „Theo Neubauer Schule“, der wiederum 1993 in „Königin-Luise-Gymnasium“ mit vergoldeten Metallbuchstaben geändert wurde.
Schon 1908 erhielt das Haus einen Anbau, den heute noch als „Neubau“ bezeichneten östlichen Gebäudeteil für vorwiegend naturwissenschaftliche Nutzung.

Auf Grund besonderer Verträge mit Frankreich hatte Preußen die Verordnung der Reichsdeputation in Regensburg über die Säkularisation der geistlichen Reichsstände nicht abgewartet, sondern schon im August 1802 die ihm zugesprochenen Gebietsteile in Besitz genommen, unter denen sich auch Erfurt befand. Das Preußische Königspaar Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise von Preußen ist erstmals Ende Mai 1803 in Erfurt gewesen, von Diakonus Lossius und Mädchen seiner Schule in der Eingangshalle der heutigen Staatskanzlei begrüßt. Dieses Ereignis wurde auf dem verschollenen Aulabild festgehalten. Erfurts Zugehörigkeit zu Preußen sowie die Beliebtheit der Königin Luise motivierten 1902 den Erfurter Stadtrat, der neu entstandenen Höheren Mädchenschule den Namen „Königin Luise Schule“ zu verleihen. Als „KL“ ist sie im Bewusstsein vieler Erfurter über die Jahrzehnte hinweg in Erinnerung geblieben. Diesem Umstand und der Tatsache Rechnung tragend, dass Luise eine für ihre Zeit sehr progressive und volksverbundene Monarchin war, die sich vor allem für die höhere Bildung von Mädchen in Preußen einsetzte, war 1992 Anlass, dem wiedergegründeten Gymnasium seinen ursprünglichen Namen zurück zu geben. Heute wird fast ausschließlich der Begriff "KLG" verwendet.


In der Bildergalerie finden sie dazu eine Auswahl von Bildern.

J. Kornmann

KLGWinter01
Das Königin-Luise-Gymnasium - Ein Wintermärchen

06.08.2019